Dienstag, 14. April 2015

Angriff der Kampfschildkröte.


Atmosphärenflug.
"She may have flaws, but she has teeth."
Ich stelle ein "hach ja" voran und lasse es erstmal kurz wirken…
Denn ich bin hin und her gerissen zwischen Begeisterung und leicht enttäuschtem Zweifeln. Als oller Nerd und Star-Trek-Freund kam ich nicht umher, mir die Ausgabe Nr.7 der Eaglemoss®-Raumschiff-Sammlung zuzulegen: die U.S.S. Defiant – klein und gemein.

Arschtreten seit 1995.
Die Defiant ist irgendwie einzigartig eigenartig im Star-Trek-Universum. Sie verkörperte seit der 3. Staffel von DeepSpaceNine das erste prototypische, reinrassige Kriegsschiff der Sternenflotte, kommt mit einem völlig andersartigen Design daher, hat eine Tarnvorrichtung und begeistert bis heute mein Gestalter-Auge und Geek-Herz. Toll fand und finde ich die Kompaktheit des Entwurfs, der die Gradwanderung vollzieht zwischen Bulligkeit und Stromlinie sowie Festigkeit und Leichtigkeit. Schwachpunkte des Designs sind eher dramaturgischer Natur, die hier im Einzelnen durchgekaut werden und aufzeigen, daß selbst fiktive Gestaltungen immer dem Prinzip Form folgt auf Funktion unterliegen sollten. Das Fehlen einer Defiant-Drehbuch-Bibel, die dem Autoren damals hätte aufzeigen können, was wo ist, was welche Funktion hat und vor Allem, wie groß ist die Defiant eigentlich, wirkten sich auf die Bildschirmpräsenz aus und führten beim detailverliebten Betrachter allzu oft zu Irritationen und zu bis heute anhaltenden Diskussionen in einschlägigen Foren. Bemerkenswert finde ich an dieser Stelle den Umstand, daß bis dato keine einigermaßen akkurate Blaupause existiert, die das originale Filmmodell darstellt. Die Risszeichnungen, die im Netz kursieren sind m.M.n. alle fehlerhaft, ungenau und schlampig erstellt.
Immerhin legt das dem Modell beigefügte Magazin eine Schiffsabmessung fest, die als akzeptabel angesehen werden kann und meine These bekräftigt, daß die z.B. in den neuen Star-Trek-Filmen zelebrierte Gigantomanie hinsichtlich der Größenverhältnisse purer Schwachsinn ist. Mit gerade mal 170m Länge ist die Defiant fast schon ein Zwerg im Vergleich zu anderen Vehikeln. Zu diesem Thema in diesem Blog demnächst mehr...

Hasch mich, ich bin der Frühling!
Pedanterie / Manöverkritik.
Betrachtet man sich die Ausgabe Nr.7 der Eaglemoss-Raumschiffsammlung genauer und vergleicht diese mit den bisher erschienen Teilen, fällt auf, daß die Qualität der Modelle argen Schwankungen unterworfen ist und sich der Erwerb nur bei einigen Ausgaben lohnt. Scheinbar wird Wert gelegt auf die Begeisterung des leichtgläubigen, ungeschulten Auges. Sieht man als Hardcore-Fan aber genauer hin, fallen Fehler und Ungenauigkeiten auf, die so nur schwer verdaulich sind und vermeidbar gewesen wären. 
Beim Modell der Defiant zum Beispiel, stört die undifferenzierte Bemalung der Oberfläche. Dieses Schiffchen lebte ja quasi dadurch erst auf, daß die Oberflächenplattierung in diverse Dunkelblaugrau-Schattierungen und bräunliche Flächen aufgelöst war, die alles noch agiler wirken ließen. Beim Eaglemoss-Modell dagegen fehlt diese Farbigkeit leider obwohl es bei Betrachtung der anderen Modelle scheinbar doch möglich ist, polychrom zu produzieren. Störend finde ich auch die schlecht kaschierten "Nähte" bzw. Verfugungen zwischen den Modelleinzelteilen und grobschlächtig ausgearbeitete Details (z.B. plumpe Impulsantriebsöffnungen, Hecksektion ohne Details etc.). Hier und da hätte man das sicherlich anders und auch besser arrangieren können. 
Merkwürdig wirkt auch die charakteristische Nase des Schiffs: betrachtet man das Teil von oben und unten, wirkt alles bis auf die merkwürdige Lücke zum Hauptrumpf soweit korrekt. Im Profil/Seitenansicht dagegen ist da ein obskurer Knick nach unten zu sehen, der dazu führt, daß der Deflektor in der Nasenspitze sehr flach geraten ist. Ähnlich unproportioniert und lausig umgesetzt wirken die blauglühenden, vergitterten Rückseiten der Warpgondeln. Diese sind viel zu tief eingelassen in die Maschinenrümpfe und m.M.n. schlampig wiedergegeben. Ein anderer Kritikpunkt ist die Oberflächenstrukturierung, der auch andere Modelle irgendwie klumpig wirken lässt und höchstens den Laien erfreut. Die Außenhülle der Sternenflottenschiffe ist eigentlich mehr oder weniger glatt. Die Schildgitter-Linierungen wurden auf den originalen Film-Miniaturen entweder farblich hervorgehoben oder waren so sanft erhaben, daß sie sich kaum abhoben bei Betrachtung des Gesamtmodells. Bei der ersten Ausgabe der Eaglemoss-Sammlung – der Enterprise-D – ist dies gut wiedergegeben worden. Bei Ausgabe Nr. 2, die nicht nur deswegen nicht in meinem Besitz ist, wurden krude Linien in die Hülle geformt, die so eben nicht korrekt sind und eben nur den Laien erfreuen können. Immerhin wurde der in den US-Ausgaben auf der Steuerbord-Gondel falsch herum aufgetragene Registriernummerschriftzug korrigiert – ein Indiz dafür, daß bei Eaglemoss zumindest teilweise Kritik ernstgenommen wird.

Aber genug der pingelig-pedantischen Tiraden: insgesamt und mit etwas Abstand betrachtet sieht das Teil gut aus! Und ja, ich ertappe mich bei kleinen Spielereien damit. Als Jugendlicher hatte ich nämlich das AMTertl-Selbstbau-Plastikmodell der Defiant, das für infantiles Herumfliegen zu groß war und mangels handwerklicher Fähigkeiten auch leidlich schlecht bemalt war... Insofern ist dieses kleine Ding genau richtig: es nimmt keinen Platz im Schrank weg, es ist recht robust und soweit schön anzusehen.

Nicht für Nahaufnahmen geeignet!
Schmückendes, sinnfreies Beiwerk.
Einen Aspekt der Sammlung muss ich hier noch mal gekonnt zerreißen: dieses beigefügte Magazin. Der Laie mag staunen und begeistert sein angesichts bunter Bildchen und schlecht übersetzter Texte. Mich lässt das eher ratlos zurück. Die illustrierenden CGI-Grafiken wirken eher hölzern und merkwürdig, man erfährt nichts Neues und nur der Abschnitt mit der Design-Geschichte (inklusive Konzeptzeichnungen) wirkt einigermaßen spannend und birgt ein paar neue Erkenntnisse. Wenn das Heftchen für die Defiant-Ausgabe eine solche Qualität hat, wie sieht es dann bei so selten oder nur einmal gesehenen Schiffchen wie z.B. dem Tholianischen Netzschiff aus? Wie will man da Inhalte generieren, wo fast nichts vorhanden ist?

(D.P.)

P.S.: 
Demnächst auf dieser Frequenz: Eine Klärung der Frage, warum Größe relativ ist.

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