Donnerstag, 5. September 2013

Planfisch-Kalender 2014: Making of. [1]

September: 38-cm-SK-L/45

Entsprechend der wässrigen Assoziationen, die dem Rezipienten beim Hören des Namens "Planfisch GbR" (bzw. Fischplan-Blog) durch den Kopf treiben mögen, bedient das Bild für den September 2014 sinister-maritime Großmachtsfantasien. Basierend auf einem für Expertenaugen doch eher grobschlechtigen SketchUp-Modell eines semifiktiven deutschen Linienschlachtschiffs der kaiserlichen Marine, welches ich schon vor längerer Zeit in einem Anflug von manischer Langeweile ohne Unterwasserrumpf erstellte, glänzt der gerenderte Stahlkoloss in all seiner Pracht. Grundlage für das in den Details relativ freie und schlichte 3D-Modell war die letzte Serie sogenannter Großlinienschiffe der Bayern-Klasse. Erstmals mit einem übergroßen Kaliber der Hauptartillerie ausgestattet, sollten diese überaus teuren Monstren den ebenso monströsen Einheiten der britischen Royal Navy Paroli bieten, um dann letztlich nur spärlich eingesetzt zu werden. Apropos Kaliber: Wer sich noch immer wundert, warum das Septemberbild einen so kryptischen Namen trägt, dem sei verraten, daß 38-cm-SK-L/45 die Kaliberbezeichnung der oben beschriebenen Geschütze war, von denen insgesamt 8 in 4 Zwillingstürmen verbaut waren.
Warum gerade diese dampfenden, stampfenden, stählernen Giganten so eine morbide Faszination auf mich ausüben, kann ich nicht näher ausführen – aber sie entwickeln fast hundert Jahre nach ihrem Entstehen eine eigene Schönheit und Wirkung auf den nachgeborenen Betrachter.

Sütterlin-Lese-Schreib-Kurse nicht mehr gefragt.

Das fertige Kalenderbild war, man sieht es ihm auf dem zweiten Blick an, ein relativ hartes Stück Arbeit: Nachdem ich einige anfangs zu statisch wirkende Details am SketchUp-Modell verändert hatte (z.B. die Drehstellung der Geschütztürme, Stellung der Suchscheinwerfer und Entfernungsmesser etc.) hieß es zuerst eine ansprechende Perspektive zu wählen, die imposant wirken sollte. Nach einigen Überlegungen – frontal, von der Seite o.Ä. – entschied ich mich für eine klassische "schräg-von-vorn"-Blickrichtung, die suggeriert, man befände sich auf einem kleinen Boot, das sich dem Koloss nähert. Den Schwächen des 3D-Programms geschuldet, hieß es zuallererst die verschieden in ihrer Ansichtsdarstellung definierten Export-JPGs via Photoshop ineinander zu kopieren, um die Schattenwürfe und Konturen aufeinander abzustimmen. So liegen nach meiner Erinnerung 6 verschiedene Ansichts-JPGs ein und der selben Perspektive unterschiedlich moduliert übereinander – von den Texturen ganz zu Schweigen. Denn diese mussten (ebenso den beschränkten Möglichkeiten des alten SketchUp-Programms geschuldet) separat "aufgetragen" werden, um dem Modell eine abgewetzte, verbrauchte und angerostete Anmutung zu verpassen. Dank frei erhältlicher Texturen und eigenem Bildbestand war die Auswahl leicht – die Einarbeitung nicht. Auch wenn man es auf dem fertigen Druck kaum wahrnehmen wird – der Rumpf ist nun mit vernieteten, perspektivisch verkrümmten, seewassergeschädigten Platten texturiert, die Farbgebungen neu reguliert und auch einige Schatten und Details (z.B. Rostverläufe an den Bullaugen) wurden vereinzelt nachgebessert. Mittels Illustrator ergänzte ich noch filligranere Einrichtungen wie die Antennenkabel und Takelage und kombinierte zur Abrundung des Ganzen noch Belichtungen und Unschärfen miteinander, um dem Betrachter Tiefe und Dynamik zu vermitteln. Eine weitere Herausforderung stellte die "Schwimmbarmachung" dar. Pflügt das Schiff durchs Wasser, oder scheint es still zu stehen? Als Mittelweg ließ ich mich vom Fliegenden Holländer inspirieren – und so brandet zwar das Meer sanft am Rumpf, aber ansich steht es still zwischen nebeligem Dunst und dem treiben der Strömung – ein Geisterschiff aus Stahl, sich spiegelnd auf kräuselnder Meeresoberfläche.
Combined Forces.

Mit Abschluss der grundlegenden Konstruktionsarbeiten stand nun also die Einbindung in ein aussagekräftiges Bild an. Ich probierte unterschiedliche Ideen aus und testete auch verschiedene Licht- und Farbstimmungen aus und kopierte eine selbsterstellte Vektorgrafik mit allerlei technisch wirkenden Firlefanz darüber. Nach Recherche authentischer Bilder des Seekriegs aus der Zeit von 1914 bis 1918 begeisterten mich dann auch noch Fotografien strahlender Suchscheinwerfer bei Nacht. Diese gleißend hell die Nacht zum Tage machenden Scheinwerfer waren installiert worden, um auch in der Dunkelheit z.B. einen nächtlichen Angriff von Torpedobooten abzuwehren. Mittels Photoshop beleuchtete ich also die Szenerie und verlieh dem virtuellen Giganten Leben. 
Und so – im Verbund mit einrahmenden, rostroten Nietenstahlplatten, einem Sütterlin-Schriftzug und dem steampunkig verfremdeten Konterfeit Admiral Tirpitz' gelang ein Endprodukt, was irgendwo zwischen abgegriffener Ansichtskarte, marodem Filmplakat und schön überfrachtetem Buchtitel liegt – Ahoi!
(D.P.)

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