Dienstag, 4. Februar 2014

Happi Happi!

Grau ist alle Theorie – oder: Reflektierte Exerzizien akkurater Geometrie. 
Bon appétit!

Es war einmal...äh...nein...der Einstieg fällt schwer, deshalb gleich ins Getümmel: Die Frau unseres Vertrauens, was Web-Programmierung betrifft, kam Ende Januar auf uns zu mit einem kleineren Gestaltungsauftrag. Im Westwerk (Leipzig Plagwitz) sollte eine neue Gastronomie eröffnen und die benötigen noch kleinere Gestaltungen für den Internetauftritt. Das klang gut, das war schnell gemacht – so zumindest der erste O-Ton unsererseits. Als wir dann die Materialien (Logo) geliefert bekamen, stellten sich – und hier sind wir mal ehrlich (und ohne den Freizeitlogoschaffenden boshaft auf den Binder treten zu wollen) – die Nackenhaare auf.
Das selbstentworfene Logo zeigte bei erster und erst recht bei zweiter Betrachtung und eingehender Untersuchung im Rahmen der Aufbereitung für unsere Zuarbeiten, gravierende Mängel auf. Die Geometrieachsen wackelten sachte aneinander vorbei, die Zahnradzähne rotierten ungleichmäßig und die verwendete Schrift (Century Gothic, für die, die es genau wissen wollen) holperte in der oberen Zeile auf zwei gedachten Grundlinien auf und ab und wurde, als ob das noch nicht genügte, gestaucht und gezerrt. Hinzu kam eine gut gemeinte, aber lieblos um die Buchstaben herumgelegte "rundeckige" Outline. Die Century Gothic ist zwar bei einigen eingebildeten Typografiesachverständigen als hässliche Allerwelts-Knochenschrift verschrien, hat aber gerade für die Intention der Logogestaltung genau den postindustriellen, retromodernen Touch, der benötigt wird. Insofern eine gute Idee, die für ein gewisses Gespür spricht, nur leider an der Umsetzung zu scheitern drohte. Der Kniff mit der Schrift-Outline bietet dabei nämlich Chancen und birgt gleichzeitig aber auch gefährliche Klippen, die es zu umschiffen gilt. Man kann Grauwerte unterschiedlicher Schriftgrade relativ gut aneinander anpassen, aber Punzen (die Leeren in Buchstaben wie dem B, D, A, O...) drohen zuzulaufen, winkelige Auf und Abstriche (z.B. Buchstabe K) ballen sich zu finsteren Klumpen und die Buchstabenbreite selbst wird ebenfalls zum Problem, da sich der Duktus des Schriftbildes verändert und die Abstände dann korrigiert werden müssen.
Aus neu mach besser!

Schon ganz juckig...
Nach Rücksprache mit der Auftragsvermittlerin und den Auftraggebern ergriffen wir dann das Logo chancengleich beim Schopfe und überarbeiteten das Teil sensibel und bedächtig. Der Grundcharakter, die Basisidee blieb natürlich erhalten – nur die offensichtlichen Mängel sollten beseitigt werden. Fundament der Überarbeitung war die Korrektur der Schrift, da diese inhaltsbestimmend das ausdrücken muss, was dem hungrigen Gast geboten werden soll. So klimperten wir in die Tasten und streichelten die Maus und bearbeiteten die Buchstaben einzeln dahingehend, daß die darübergelegte Outline nicht die Folgen zeitigt, die oben beschrieben wurden. Einzelne Buchstabenbestandteile galt es zum Beispiel zu verschieben, zu verkürzen oder zu verlängern, damit der Charakter der Schrift erhalten blieb. Im Zuge der Nachbearbeitung justierten wir die Abstände der Zeichen nach, bis die Grauwerte einigermaßen übereinstimmten.
Der nächste Schritt sah dann die Rekonstruktion des Zahnrads und der darin befindlichen Bestandteile vor. Die Zahnradzähne rotieren nun geometrisch in 18°Schritten um den Zahnradmittelpunkt, nehmen gleichzeitig die Eckrundungen der Schrift auf und wirken so geordneter und gefälliger – der normale Betrachter neigt ja zu Ordnungsprozessen...
Schwierigkeiten gab es bei der Einbindung des stilisierten Bestecks: macht man's zu klein, läuft es schwarz zu; macht man's zu groß, fällt es optisch auseinander oder ist als Besteck nicht mehr zu erkennen. Gelöst haben wir das Problem durch einen kleinen optischen Trick. Da Messer und Gabel mittig durch den Schriftblock unterbrochen sind, kann man bei der Proportion zwischen Griff und Schneide mogeln – der menschliche Geist vervollständigt das Bild ohnehin von allein. Krönender Abschluss der Überarbeitung war dann am Ende das Schraubventil: Da das Logo auf einer imaginären quadratischen Grundfläche eingepasst ist, bestand quasi der Zwang dieses Element besser ausgearbeitet zu integrieren, ohne dabei den pseudodreidimensionalen Charakter zu vernachlässigen. Zwar sind weder Lichtpunkte oder Spritzlichter sichtbar, die eine räumlich-greifbare Erscheinung näher kenntlich machen würden, vorhanden – aber das Ventil basiert tatsächlich auf einer perspektivischen Konstruktion, die dem Betrachter eine abstrahierte Greifbarkeit vorgaukelt und gleichzeitig nicht optisch schwarz zuzulaufen droht.

Hunger auf mehr!

Reduktion auf ein Maximum.
Das Schöne bei diesem Auftrag war die Farbskala! Schwarz, weiß und ein warmes grau – passend zur Lokalität, ohne gleichzeitig unterkühlt zu wirken. Passend zur Überarbeitung des Logos gesellten sich dann noch weitere stilbildende Gestaltungsmaßnahmen, wie zum Beispiel der Entwurf des Webseiten-Layouts, die Illustration der Anfahrts-/Lageskizze und die Entwicklung von Ornamenten im Stile eiserner Architektur des späten 19.Jahrhunderts, gemäß der Devise "weniger ist mehr". 
In diesem Sinne schließen wir unseren Exkurs in die angewandte Gebrauchsgrafik und wünschen guten Appetit im Gasthaus im Westwerk – Eisengießerei!

Links:

(S.V. & D.P.)

P.S.: Wenn die Damen und Herren Gastronomen jetzt noch so konsequent wie gastfreundlich und kulinarisch wertvoll sind, ersetzen sie auch auf der Facebookseite das alte durch das überarbeitete Logo...merci! ;-)

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