Sonntag, 1. Juni 2014

Ausflüge in die Dreidimensionalität. [20]

Reduktion ist der Weg zur Erkenntnis.

Walk in the Sunshine.
Weniger ist manchmal mehr. Ein Spruch, der oft auch hier im Blog gebetsmühlenartig bei Gestaltungsfragen rezitiert wird und weitestgehend Geltung haben sollte hinsichtlich dessen, was man beruflich als Grafikfritze und privat verzapft. Und in der Hobby-Rubrik "Ausflüge in die Dreidimensionalität." beherzige ich einmal mehr dieses Leitmotiv und präsentiere hier wie so oft zuvor einen Exkurs zum Thema "Star Trek – da geht auch mal was anders".

Brauch'mer nich, kann weg...
Es war einmal...
Die Beschränkungen, die das von mir gehassliebte Sketchup-Programm mit sich bringt – seien es die bescheidenen Kreis- und Kugeltemplates, die grottigen Beleuchtungseffekte etc. – reduzieren (ich beschrieb das schon an anderer Stelle) die Möglichkeiten. Auf der anderen Seite ergeben sich besondere Herausforderungen aus dieser Einfachheit heraus, das Beste draus zu machen und mit den wenigen Werkzeugen – ausgeglichen durch Kniffe, Tricks und Photoshop-Nachbearbeitungsorgien – schön anzusehendes zu erschaffen.
Grau ist alle Theorie!
Thematisch, es fand schon oben Erwähnung, kreist es wieder um den von mir geliebten Star-Trek. Trotz oder gerade wegen des letzten m.M.n. unterirdischen letzten Films, beschloss ich – wie so oft in einem Anfall von Gedankenzirkulation – einigen Ideen betreffend Formsprache und ästhetischen Fundaments freien Lauf zu lassen und zu überlegen, was man einfach mal weglassen könnte am üblichen Raumschiff-Design, wie es oft genug stilistisch zweifelhafte Blüten treibt.
Grau ist auch aller Anfang!

Blaue Phase.
In einem Akt der Rückbesinnung erkannte ich, daß eine klare und reduzierte Formensprache auf einer übergeordneten Ebene der erste Baustein sein würde, auf dem Weg zum finalen Modell. Die originale Enterprise ist in gewisser Weise zur Ikone geworden – es mangelt ihr zwar an Textur, einige Designlösungen erscheinen im Spiegel moderner CGI-Modellierung haarsträubend simpel, aber doch erkennt jeder Popanz mit an Blindheit gerenzender Sicherheit dieses Stück Populärkultur wieder. Die Frage, woran das liegt, lässt sich möglicherweise in einer tiefgehenden Analyse ergründen – ich für meinen Teil schiebe es auf die wahrhafte Originalität des Entwurfs aus den 60ern und den gestalterischen Anspruch, nur soviel Raumschiff designt zu haben, wie es brauchte, um sich vom Rest abzusetzen. Die 60er-Jahre-Enterprise lässt so dramatischen Spielraum für Phantasie und Möglichkeiten offen, gerade weil nicht alles am Enterprise-Modell bis ins kleinste Detail durchtexturiert und -strukturiert ist. Jede Komponente an der alten "Big-E" sieht aufs Notwendigste heruntergebrochen aus (mit einigen Ausnahmen natürlich) und man spürt mit dem geschärften Sinn für den größeren Zusammenhang die größere Verwandtschaft mit den Marineschiffsdesigns der 60er und 70er Jahre als mit den Raketenraumschiffen der uralten Science-Fiction-TV-Serials á la Buck Rogers oder Flash Gordon.

Mit diesen Gedankengängen im grübelnden Bregen überlegte ich also, was eine ikonische Form sein könnte, die durch Fernwirkung schon eine gewisse Unverwechselbarkeit generiert, bei näherer Betrachtung Sinn macht und nicht so wirkt, als wollte ich jeden Winkel zukleistern nur des Zukleisterns willens, wie es heutzutage Gang und Gebe ist. Denn in Anbetracht der Tatsache, daß das Netz voll ist mit zwar zum Teil nett anzusehenden Ideen, diese aber m.M.n. das Problem zu großer Gestaltungsmöglichkeiten und Effektwerkzeuge aufweisen, die den Gestalter eine Vielzahl seiner Vorstellungen umsetzbar machen, aber die Frage nach dem Zweck offen lassen. Ich nenne das übrigens das WORD-Syndrom: eine Unzahl von Möglichkeiten digitaler Effekte führt zu einer Vielzahl von gestaltungstechnischen Katastrophen!

Licht aus!
Vermessenheit und andere Proportionslosigkeiten.
Und mit dieser (vielleicht doch nur neidischen?) Einstellung ging ich also ans Werk. Experimentierend mit kantigen, ovalen und anderen Formen, griff ich aus Effizienz-Gründen zurück auf kreisrunde Quer- und Längsschnitte bei der Gestaltung der Grundformen: Eine große, runde Untertassensektion – ohne viele Formschnörkel – bildet das Zentrum. Durchbrochen wird diese durch eine lange Röhre in Längsrichtung, die sich am Ende hin verdickt zu einer einzelnen Warp-Gondel. Dieser Längszylinder beherbergt alle star-trek-typischen Utensilien zum überlichtschnellen Raumflug und andere technische Einrichtungen: an der Spitze der Deflektor (eine schöne Satelliten-Schüssel), Energieerzeugungsdingens und anderer Firlefanz, dann die Luken für die Raumfähren (inspiriert durch die NX-01), Treibstofftanks und am Ende – strahlungssicher abgesetzt vom Rest – die potent wirkende Warpgondel, als integraler Bestandteil des zentralen Strangs, der das Schiff teilt. Ein schöner Nebeneffekt dieser Anordnung ist die scheinbare Auflösung der Oben-Unten-Ausrichtung – zumindest optisch und auf den ersten Blick. 
Da ich – die Star-Trek-Zeitrechnung beachtend – meinen Entwurf in die Zeit des Irdisch-Romulanischen Kriegs (also ca. 100 Jahre vor die Enterprise Kirks; ca. 2156 – 2160) einordne, sind die Formen simpel, solide und robust gehalten und "später" typische zerbrechlich wirkende technische Einrichtungen, wie die rotglühenden Bussardkollektoren fehlen. Inspirierend war diesbezüglich ein Besuch bei Masao Okazaki's "Starfleet Museum", welches originelle Designlösungen aus der Frühzeit des in Star Trek beschriebenen irdischen Raumflugs offeriert, die in gewisser Weise Pate gewesen sein können bei meiner Entwurfsidee.

Faltenwurfstudie 2.0
Doch zurück zur Formgebung: die einerseits für Sternenflottenschiffe obligatorische Untertassensektion ist durch den Antriebs- und Technik-Strang in zwei Hälften zerteilt und wirkt absichtlich wie mit der Axt geschnitzt und "aufgesetzt" – ohne eine Lostrennung eingeplant zu haben. Grund dafür war die Darstellung der potentiellen Gefährlichkeit der Antriebsmethode: Strahlung und andere Teufeleien sollten ordentlich abgegrenzt sein vom konventionellen Technikkram. Alles ist simpel, geradlinig, reduziert und auf Fließbandproduktion ausgelegt – denn es werden harte Zeiten gewesen sein! (Futur 2 – Wahnsinn!) Und weil es sich um ein "frühes" Schiff handelt, nehmen Treibstofftanks, Lagerräume und anderer Schnickschnack viel Raum ein. Ein Schelm, der dabei an die vollgepackten Unterseeboote der Gegenwart und Vergangenheit denkt, die eher dem Konzept der Sardinenbüchse im Sinne "wir bauen den Menschen in die Technik ein und nicht umgekehrt" folgen.

"Ganz schön vollgepackt...!?"

Gedöns.
Gut sortiert.
Braucht es einen Namen? Das Entwurfskonzept, wie ich es hier präsentiere, benötigt keinen bedeutungsschwangeren, sinnstrotzenden oder huldigenden Namen. Gerade der einfache, reduzierte Charakter des Entwurfs machen eine traditionelle Taufe unnötig und ich empfand geradezu einen Zwang, dem Flugobjekt keinen Namen zu geben sondern nur eine Nummer...austauschbar, hart arbeitend, entbehrlich. Die Deutschen nannten sowas im ersten Weltkrieg den "Mobilmachungstyp". Denn es können ja nicht alle Helden sein, die den Weltraum durchkreuzen und im dümmsten Fall nicht wiederkehren...
Ein weiterer Aspekt des radikalen Weglassens stellt übrigens das Fehlen jeglicher Fenster und Außenbeleuchtung dar: Jede Luke, jedes Fenster und jede Öffnung zum Pläsier der Raumfahrer schwächt die Gesamtstruktur – denn merke: Auf Ubooten gibts auch keine Panoramafenster, um sich die lebensfeindliche Umwelt mal gesundheitsschädlich näher betrachten zu können! Und zu sehen gäbe es ohnehin nichts, da es im Weltall erstens (und entgegen landläufiger Darstellungen in SciFi-Filmen) zappenduster ist und zweitens man andere Aufgaben hätte, als sich die Sterne anzusehen. Mit dieser effizienten Begründung rückte ich auch die "Brücke" aus dem Fokus und hinein ins schützende Schiffsinnere. Ich habe mich schon als Jugendlicher und Kind gefragt, warum die oberste Kommandostelle bei der Enterprise so exponiert positioniert war – käme ein feindlich gesinnter Außerirdischer nicht schnell mal auf die naheliegend perfide Idee, mit einem gezielten Schuss dem Führungsstab der Enterprise das lautlose und kalte Vakuum des Weltraums erfahrbar und so den Garaus zu machen? Läge es da nicht näher, die "Brücke" zu einem simplen Kommandostand zu machen, schwieriger von außen erkennbar und tiefer eingebettet in die Infrastruktur des Schiffs? (Die Neuauflage von Battlestar Galactica weist hier mit dem Design des CIC programmatisch den logischen Weg – Schnurtelefone herrschen!)

Nebel steigen...
Ach ja...
Oft angedroht, jetzt wird's aber wirklich Zeit: Das Feld Star Trek habe ich nun oft und ausdauernd beackert. Ideen gäbe es da noch zur Genüge (z.B. die Idee des reifenförmigen Warpantriebs), aber es wird nun doch Zeit vorrangig den eigenen verschrobenen Gedankenkosmos zu bewirtschaften – denn auch der ist (so paradox sich das auch lesen mag) mehr als unendlich...

Ein richtig dickes Ende.


(D.P.)

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