Freitag, 10. Oktober 2014

...und später nur noch Bananen.

Südfrucht.

Gedankengänge zum Leipziger Lichtfest am 09. Oktober 2014.
Es hieß mal wieder etwas Zeit tot zu schlagen. In der Innenstadt. Ausgerechnet zum Lichtfest. Zum 25. Jahrestag der großen friedlichen Montagsdemo des Jahres 1989, die als Initialzündung galt zum Mauerfall und all den anderen Entwicklungen. Der Rest ist Geschichte; alles andere irgendwie Ritual...
Schon im Vorfeld der Großveranstaltung gab es Anzeichen, daß es dieses Jahr noch größer und noch viel wichtiger werden sollte. Absperrungen des Innenstadtrings wurden vorangekündigt und je näher des Tages Abend rückte, wurden die Sanktionen restriktiver: Straßenbahnen fuhren weite Umleitungen oder fielen aus, Polizeiabsperrungen, Hubschauberkreisen, Ein- und Ausfahrtverbote für die Innenstadt etc. "Ha! …alles fast wie damals!" dachte ich mir. Sogar zivile Ordnungskräfte konnte man erspähen – auch wie damals. Es hatte sich ja auch Politprominenz angesagt. Der Bundes-Gauck und andere staatstragende in- und ausländische Grüßauguste. Wovor haben die Angst, daß die solche Maßnahmen brauchen? War doch in den letzten Jahren auch nicht so heftig abgeschirmt...? 
Doch zurück zum Thema: Einziges Highlight für mich war der für den KfZ- und Bus-/Bahn-Verkehr abgesperrte Innenstadtring. Das wirkte fast schon surreal. Ansonsten aber Gedenkritual mit Konzerten (u.A. spielt eine Brünette Theremin!), Kunstnebel, Projektionen und Industrial-Schnippseln und dröhenden Samples – "Wir sind das Volk!".  Was eine kraftvolle Aussage war, verkommt in aktionskünstlerischer Dauerschleife zu einer schwachbrüstigen Floskel die nach der gefühlt eintausendsten Wiederholung nur noch nervt. Da hilft nur noch ein billiges Bier auf die Hand zum Unterwegstrinken. Schnell noch dem alkoholisierten Obdachlosen auf der Bank zugeprostet – Wendegewinner! 
Lauscht man dann noch den Stimmen der LichtfestbesucherInnen, wird einem endgültig klar, daß hier nicht nur jährlich schick ritualisiert wird, sondern auch das Ende der Ideen und Anliegen derer schillernd gefeiert wird, die damals die Montagsdemos initiierten. Denn eins darf man nicht vergessen: der 09. Oktober 1989 mag für die einen der Startschuss der friedlichen Revolution gewesen sein – aber er war auch der Anfang vom Ende einer Reformbewegung, die in mit der Wiedervereinigung in der politischen Bedeutungslosigkeit versinken sollte. Einen Monat später im Jahre 1989 fiel die Mauer und schon da waren die Rufe nach krummen Südfrüchten, den Verheißungen des West-Werbefernsehens, Reisefreiheit und D-Mark so laut geworden, daß die Forderungen nach einer Verbesserung des DDR-Staates hin zu einem schöneren, freieren Land übertönt wurden. Insofern – soviel Polemik muss sein – ist das Lichtfest meiner Meinung nach nur eine ästhetische Trauerprozession für die geplatzten Träume all derer, die sich eine menschlichere DDR gewünscht haben. Amen.

Vergrieselt.
Hingehört.
Der Lauscher an der Wand hört seine eigne Schand! – Dieser nette Ausspruch birgt viel Wahrheit in sich. Aber Schande gebührt in gleichem Maße auch denen, die da munter wirr Plappern und z.B. ihren Kindern erzählen, warum dieser Terz stattfindet. Einige dieser Erziehungsberechtigten waren selbst damals entweder nur ein geiler Gedanke ihrer Erzeuger oder (wie der Verfasser dieser Zeilen) noch ein Kind; sehen sich aber schon in der Lage alles (v)erklären zu können. Die krudeste Vorstellung eines schiefen Weltbildes lieferte eine Endzwanzigerin gegenüber ihrem Sprössling ab, indem sie im breitesten Sächsisch klarstellte "…daß die Menschen damals nur auf die Straße gegangen sind, damit du heute hier stehen kannst und nicht verhungerst!" Aha...!? Denn wie jeder weiß, wütete in der DDR ja bekanntlich eine der schlimmsten Skorbut-Epidemien aufgrund von Bananenmangel, die die Welt je gesehen hatte.
Meine Erinnerungen an diese Zeit vor 25 Jahren in Leipzig (ich war 8 Jahre und altersunüblich sehr aufmerksam) sind geprägt durch die elterlichen Diskussionen am Abendbrottisch, Lautsprecherdurchsagen an öffentlichen Plätzen und trübes Wetter. Väterlicherseits bestand damals durchaus Bereitschaft das Ganze auf chinesische Art zu lösen, es herrschte eine gewisse Anspannung und dennoch hab ich nicht gehungert...

Verrauscht.
Irgendwas hab ich vergessen...
...die Kamera?! Scheiße! Hier gäbe es viele coole Motive: ein weiß-nebliger Leuschner-Platz, Lichtprojektionen an öffentlichen Gebäuden, erstaunte Touristengruppen, hippe Hipster, der menschengefüllte Innenstadtring, Kerzen, leere Bierflaschen... 
Auch wenn ich meine alte Digitalkamera mal wieder nicht eingesteckt hatte, gelangen ein paar nette Aufnahmen mit der unsagbar räudigen Handy-Kamera, die das gestrige Großereignis bildlich einfangen und nach Bearbeitung subjektiv verfärben...so wird Geschichte eben gemacht! Darauf erstmal eine Banane!

(D.P.)

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