Freitag, 5. Juni 2015

20 Jahre und kein bisschen leise.

BOMBTHREAT XX – MAKING OF.

"Ich mach drei Kreuze, wenn der Scheiß endlich durch ist!"(*) – So oder noch aggressiver formulierte ich es in Gedanken. Immer wieder mal. Dann öfters. Anfang Mai wieder weniger – denn es war vollbracht: Die Gestaltungsarbeiten waren beendet, die Druckdaten versandt und alles fertig. Denn die ascherslebener Oldschool-Death-Metal-Heroen BOMBTHREAT feiern Anfang Juni 2015 Zwanzigjähriges und zur Zelebration wird passender Weise ein neuer Tonträger unters treue Fan-Volk geworfen. Und wie schon beim letzten Album der lauten fünf, durfte ich meine Fähigkeiten einbringen und Schönes beisteuern...

Glückwunsch zum Jubiläum!

"Wir haben doch noch genug Zeit…!"

Wenn am 06.06.2015 zum Halali geblasen wird und der neue Rundling in Sonder- und Standardausgabe dem treuen Fan gehörig einheizen wird, werde ich für meinen Teil fast vergessen haben, wie es anfing damit: Im Herbst des Jahres 2014 unkte es aus dem bassistischen Dickicht, daß zum anstehenden Bandgeburtstag eine neue Scheibe in Planung sei und diese natürlich auch wieder fetzig aufgemacht werden müsste. Die Wahl fiel wegen guter Erfahrungen und mangels Alternativen auf meine Wenigkeit. "Toll…!!!" dachte ich. Und weil man als Band nicht jedes Jahr Zwanzigsten feiert, wollte man sich seitens der Musikanten nicht lumpen lassen und auch merchandise-technisch ordentlich klotzen statt nur zu kleckern. Anhänger der ersten Stunde und andere Fans sollten diesmal über den Tonträger hinaus sogar eine limitierte Special-Edition bekommen mit allerlei Sammelwertem wie Digipack, Anziehsache, Anstecker, Aufnäher und Aufkleber. Alles kommt in einer Filmdose äh, Tellermine aus Leichtmetallblech daher und ist handnummeriert! That's value for money! Manche etablierte Band kriegt sowas nicht mal zum 100. Wiegenfest hin...
Doch zurück zum Anfang: Die Zeit verstrich irgendwie. Es ging das Jahr 2014 und das Jahr 2015 begann. Und außer ein paar ganz groben Ideen hatte ich keinen Plan, was ich machen wollte oder die Band sich wünschte. Erste zaghaft umschriebene Vorstellungen existierten zwar, brachten mich aber nicht weiter. Die Zeit verstrich weiter und einer der ersten konkreteren Entwürfe kam irgendwie nicht so recht an bei der musizierenden Kundschaft und gefiel mir dann auch wieder nicht mehr, je länger ich da drauf schaute. Es wurde also Zeit, nochmal nachzuhaken, was die bombendrohenden Fünf denn so für Vorstellungen hatten, bevor es zu spät sein könnte. Mir wurden gefällige Beispiele genannt, es begann eine Recherche, es wurde gegrübelt, gefachsimpelt, zwischendurch Bier getrunken sowie die Kunst des kommunikativen Email-Missverständnisses kultiviert, bis zu dem Punkt als klar wurde, daß es was "Oldschooliges" werden müsse: gezeichnet, schwarz-weiß, scharf kontrastiert und eher räudig, als hochglänzend. Irgendwo zwischen nostalgisch untergrundiger Kopierzettel-Ästhetik der frühen Neunziger und guter Gestaltung. Das war schwieriger als gedacht, auch wenn's einfach klang im Anflug gestalterischer Überheblichkeit. Um an dieser Stelle abzukürzen: Neben den regulären Aufträgen zehrte die Bombthreaterei – so viel Herzblut da auch von meiner Seite aus drin steckt – enorm an den Ressourcen. Von den Nervenzerrungen ganz zu schweigen...


"…mach ich dann morgen!"

Pro-kras-ti-na-tion. Eine fiese Angelegenheit. Abgesehen vom Umstand, als Fisch bei Planfisch ordentlich herum zu gestalten und seriöse Gestaltungen etc. zu setzen, lockern Kreativarbeiten wie die für Bombthreat den Alltag auf. Wäre da nicht dieser Drang alles auf später zu verschieben – sei es aus Lustlosigkeit, eingebildeten Augen-Aua, schlichter Überarbeitung oder was auch immer. Der Bombenspaß wollte zu kurz kommen. Und als dann noch die berüchtigte Angst vor dem weißen Blatt Papier und dem ersten Strich hinzu kamen, war es schnell aus mit dem Enthusiasmus. Aber am Ende hat alles geklappt und das Ergebnis kann sich – hoffe ich – sehen und hören lassen.


PLANÜBERERFÜLLUNG – DER GESTALTUNGSKNECHT HÄLT WORT!

Schriftzug: Pünktlich zum Jahrestag erfuhr das Bandlogo eine Überarbeitung. Statt alles komplett neu zu gestalten, spielte ich mit dem, was da war. Das stilisierte Schreibmaschinenschrift-Logo bot sich an für allerlei Schabernack, weil die Laufweite einer Maschinenschrift ja immer gleich ist und die einzelnen Lettern immer die gleichen Maße aufweisen (zumindest theoretisch). So lag es nahe, alles kompakter und geschlossener zu gestalten. Nachdem ich die einzelnen Buchstaben unter Verwendung verschiedener klumpig-verlotterter Schreibmaschinen-Fonts nachbearbeitet hatte, konnte ich mit der Ausrichtung der Lettern herumbasteln. Einzeilig, zweizeilig, puzzleartig oder ineinander verschrenkt – am Ende wurde es auf Wunsch der Musizierenden doch ein Einzeiler. Die einzelnen Buchstaben überschneiden einander nicht nur, sie lassen Unnötiges aus und schließen das Logo nach außen besser ab. Da fällt nix mehr auseinander und die Lesbarkeit bleibt trotz der stark entstellenden Überschneidung prinzipiell erhalten. Speziell für das CD-Coverartwork (und nur dafür) zeichnete ich noch eine Logo-Variante, die an das verschlungen morbide Gekräusel angepasst ist und sich harmonischer in das "Gesamtwerk" einfügt – denn soviel Ordnung muss sein.

Metamorphose.







Digipack/ CD-Label/ Coverartwork: Nach verschiedenen totgeborenen Ideen und zwingender Abklärung der Vorstellungen, was die fünf Herren denn nun tatsächlich auf ihre Jubiläumsplatte haben wollten, konnte ich erste Skizzen erstellen, die das abbilden sollten, was gewünscht wurde… mehr oder weniger. In fakultativer feierabendlicher Zeichenarbeit kritzelte ich hastig grobe Vorschläge zusammen, bereitete diese digital auf und verschickte sie zur Diskussion. Es darf dabei nicht vergessen werden, daß nur der Bass spielende Seppl in Leipzig residiert und Aschersleben eben doch etwas weiter weg liegt. 


Gut skizziert ist halb gewonnen.
Drei Ansätze unter dem internen Arbeitstitel "Todesfabrik" standen letztlich zum Diskurs und der letzte Entwurf schaffte es dann ins Finale. Zwar musste ich ein paar Abstriche hinsichtlich derber Splatter- und Gore-Elemente machen, aber mittels bereits fertiger Skizzen füllte ich die entstandenen Lücken ansehnlich auf und konnte mich an die Umsetzung machen: Mittels einer via Photoshop und anderen Programmen aufbereiteten und auf DIN A3-Papier ausgedruckten feinen, kaum noch sichtbaren Vorzeichnung zur Orientierung schritt ich nach Überwindung von Prokrastinationserscheinungen und anderen Widrigkeiten zur Tat und zeichnete erst mit Bleistift dünn die Vorzeichnung detaillierter nach, ergänzte Kleinigkeiten, änderte Winziges und setzte final dann den Fineliner an, um alles rein zu zeichnen. Intervallweise fotografierte ich noch zu Dokumentationszwecken die Arbeitsfortschritte und letzten Endes stellte ich Ende April, Anfang Mai (also kurz vor der Angst) die Zeichnung fertig. Mittels Scanner und Bildbearbeitung retuschierte ich daran kräftigst herum, um einige Kleinigkeiten zu ergänzen und Fehlerchen auszumerzen und passte die fertige Gestaltung in das Digipack-Layout ein, wobei ich auf einen bestehenden Materialfundus zurückgreifen konnte.

Kurzfilmfestival!
Die Digipackgestaltung selbst kommt in feierlichem Schwarz daher. Schwarz geht immer. Schwarz ist aber auch – man wird es kaum glauben – eine schwierig zu druckende Farbe und je nachdem, wie der Druck erfolgt, schimmern immer irgendwelche Farbschleier durchs Dunkel. Umgehen kann man das entweder, indem man ins Schwarz noch zusätzlich die andere Farben zur Rasterfüllung einfließen lässt, oder einen Kontrast setzt, der von ungewollten Farbeffekten ablenkt. Ich habe beides gemacht.
Da das Digipack ohne Booklet daherkommt, lautete die Devise darüber hinaus auch noch "Platz sparen und haushalten"! So setzte ich die Credits mit einiger Trickserei auf die Innenseite und hübschte alles im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten typografisch auf. Zusätzliches nachbearbeitetes Bildmaterial der Band verteilte ich dann auf der Rückseite und der Tray-Fläche, ergänzt durch die eine oder andere grafische bzw. typografische Spitzfindigkeit. Für das CD-Label – im Trubel allgemeiner Hektik und Torschlusspanik wäre das vergessen worden – klierte ich noch fix eine Scanvorlage, die nach eingehender Nachbearbeitung nun den Drehling ziert.


DTP of Death!
Textilien: Der Fan mag es, passend angezogen zu sein. Und passend zum Anlass kriegt der Bombthreat-Freundeskreis auch neue Motive auf den Leib gezaubert. Das Motiv auf der Vorderseite geht auf eine alte Zeichnung von mir zurück, die ich 2014 nur als Platzhalter mal wiederverwendete, um den Bombthreatern mögliche Grafik-Konzepte zu illustrieren. Nachdem das Motiv für gut befunden wurde, überarbeitete ich das Ganze rechnergestützt um es anzupassen an die neue monochrome Designlinie. Für die Rückenseite kam diffuser Vektor-Gries in Kombination mit Schädel und Knochenhand zu Einsatz, flankiert vom harmannschen "Ist nicht viel so'n Mensch"-Spruch, der auf Bombthreats alte Wolf-EP verweist.


Anziehsache.

Anstecker: "Herausforderung!" möchte man brüllen! So eine klitzekleine Fläche, kreisrund und dann muss es auch noch gut aussehen… Immerhin konnte ich hier die Vorteile des überarbeiteten Bandlogos ausspielen. Nachdem ich auch hier einige verschrobene Entwürfe gebastelt hatte, reichte am Ende ein einfacher, aber zugleich wirkungsvoller Entwurf aus, der demnächst dann Brüste zieren möge.

Aufnäher: Der Aufnäher/Patch war (zusammen mit der Dosenbeschriftung) eine der wenigen Sachen, die relativ reibungslos funktionierten. Zwar kritzelte ich auch hier eine Menge Entwürfe, doch sind am Ende immer die simplen Dinge die besten. Nervenaufreibender war dagegen die Suche nach jemandem, der alles maschinell auf schwarzen Stoff sticken sollte. 

Aufkleber: Um das Merchandise-Arsenal zu vervollständigen, darf natürlich was schön Klebriges nicht fehlen. Und auch wenn ich mich irgendwie wiederhole: ich habe ein paar Entwürfe angefertigt, es wurde verworfen, es wurde geschmäht und am Ende wurde es ein aufbereiteter zeichnerischer Schnellschuss aus meinem Skizzenbuch.


Aufkleber, Aufnäher, Anstecker.

Dosenbeschriftung: Wenn schon, denn schon! Diejenigen, die die limitierte Sonderedition in der Metalldose erwerben, können neben den schon beschriebenen Fan-Artikeln und dem Digipack auch bestaunen, daß man nicht viel braucht, um eine in sich schlüssige Gestaltung zu entwickeln – die Vorderseite ziert ein schlichter schwarzer Aufkleber mit weißem Schädel und Logo; die Rückseite zeigt dem Sammler, was er in Händen hält – inklusive handschriftlich eingetragener Nummer! Gratulation, wer eine der wenigen sein Eigen nennen darf...


Die dolle Dose!

FAZIT.

Mann, war das ein Ritt! Immer wieder frage ich mich, warum ich bzw. wir uns so schwer getan haben mit allem. Verglichen mit dem Album von 2013, bei dem wir bedeutend weniger Zeit zur Verfügung hatten, war dieses Projekt eine schwere Geburt – zumindest sehe ich das so. Im Großen und Ganzen bin ich aber zufrieden mit dem Ergebnis. Das kann sich nicht nur hören, sondern auch sehen lassen! 

Kleines Späßchen am Rande.
Hätte, hätte, hätte...
Während der Arbeiten am Artwork phantasierte ich immer mal wieder herum, wie die Covergestaltung wohl aussehen müsste, wenn die Herren Bombthreat zum Beispiel semi-elektronische Musik (quasi halbanaloger EBM [sic!]), BlackMetal, finsteren DoomDarkJazz oder was auch immer spielen würden… Wie die Gestaltung dann ungefähr ausgesehen hätte, möchte ich mir nur eingeschränkt vorstellen. Aber möglich ist alles. Ulver haben früher ja auch BlackMetal dargeboten, bevor sie sich abschminkten, die Haare schnitten, die Kutte wegließen und durch stylishen Ambient-Jazz-Doom-Jazz-Firlefanzigkeit an Boshaftigkeit gewannen...

(D.P.)

*am 19. Mai, nachdem ich mitgeteilt bekam, daß alles gut geworden ist, habe ich endgültig drei Kreuze in den Kalender geschmiert!

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